Moment-(Kulinarium)-Producer Alexander Bachl hat mich vor ein paar Wochen auf ein Thema angesetzt, über das ich mir zu vor noch kaum Gedanken gemacht habe: Wie eigentlich bewerten Weinkritiker_innen und wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?
Zwei Weinveranstaltungen und zwei weitere Interviews später habe ich die Frage in einer ganzen Sendung zu beantworten versucht. Ich war im Keller von „trinkreif“ bei einer Blindverkostung, die Willi Balanjuk angeleitet hat. Er ist verantwortlich für den „A la Carte Weinguide“ und hat den Veranstaltungsteilnehmer_innen erklärt, wie er Geschmack in Punkte übersetzt und warum er Vergleiche mit Musik, Kunst oder Autos wenig hilfreich findet. „trinkreif“-Gründer Clemens Riedel hat berichtet, was die Weinkritik für Händler_innen bedeutet.
Ich hab auch bei ein paar Flights gekostet (leicht überfordert, mit Mikrofonangel und Aufnahmegerät in den Händen…), am meisten mochte ich „Ried Pössnitzberg Kapelle Sauvignon Blanc“ 2017 von Erwin Sabathi – leide eine der teureren Flaschen des Abends…
Am Rande der VieVinum-Messe in der Hofburg habe ich „Weinschreiberin“ – so nennt sie sich selbst – Luzia Schrampf getroffen. Sie erklärt ein paar Weinbegriffe für Laien, dass sie Lambrusco sehr gern hat und erzählt von ihrem neuen Buch „111 Schaumweine aus aller Welt, die man getrunken haben muss“.
Und dann habe ich noch mit Hans Martin Gesellmann gesprochen, der einerseits bei „Kracher Fine Wine“ Wein verkauft (btw war ich für meine „Guter Schimmel, schlechter Schimmel“-Sendung am Weinlaubenhof Kracher, zu dem der Shop gehört, war ) und andererseits für die „Schweizerische Weinzeitung“ Weine bewertet. Er liefert einen Überblick über Weinbewertungs-Schemata und redet über Wein-Investments und Objektivität beim Verkosten.
Was ich für die Sendung (quer-)gelesen habe:
- „A la Carte Wein-Guide 2021″ von Willibald Balanjuk, herausgegeben von Christian Grünwald (D+R Verlagsgesellschaft)
- „111 Schaumweine aus aller Welt, die man getrunken haben muss“ von Daniela Dejnega und Luzia Schrampf (Emons Verlag)
- „falstaff Weinguide Österreich 2021/22“ (Falstaff Verlags GmbH)
- „Die große Unbekannte der Weinwelt“ – Welt über Weinkritikerin Lisa Perotti-Brown (Achtung, lange kein so vor Misogynie triefendes Porträt mehr gelesen, ist auch schon von 2014 und nicht sonderlich aktuell). Gerne hätte ich ihr Buch „Taste Like a Wine Critic“ gelesen, leider ist es vergriffen.
- „Stille vor dem Schluck“ – taz. Ein Text über die Arbeit der Verkoster von 2007
- „Weinkritiker Robert Parker im Porträt“ – Bottled Grapes
- „Kartenspiele“ – A la Carte zur Frage, wie eine gute Weinkarte aussieht
- Shapin S. (2016) A taste of science: Making the subjective objective in the California wine world. Social Studies of Science. 46(3), 436-460. https://doi.org/10.1177/0306312716651346
Superinteressantes Paper des Wissenschaftshistorikers Steven Shapin über die Entwicklung eines „objektiven“ Weinbewertungsschemas ab den 1950er Jahren an der UC Davis, das Hans Martin Gesellmann in der Sendung kurz anspricht
Die Sendung ist noch bis kommenden Freitag hier nachzuhören.
700 Schlucke pro Woche. Die Arbeit der Weinkritiker:innen
Weingüter besuchen, Chardonnay & Co in Dutzenden Schlucken verkosten, Notizen machen – so mag man sich den Berufsalltag eines Weinkritikers vorstellen. Wie ist es in Wirklichkeit? Wie unterscheidet man hunderte ähnliche Weine, wie übersetzt man blumige Beschreibungen in Punktewertungen? Mit welcher Lust trinken professionelle Kritiker:innen privat einen guten Tropfen?
Willi Balanjuk, verantwortlich für den „A la Carte-Wein-Guide“, Hans Martin Gesellmann, Autor für die „Schweizerische Weinzeitung“, und Wein-Journalistin Luzia Schrampf berichten von ihrer Arbeit.
Ö1 Moment Kulinarium, 27.05.2022, 15.30h (25 Minuten)